Progressive Muskelentspannung (Relaxation) nach Jacobson

Ein Grund für das wachsende Interesse an der Progressiven Relaxation - die in den USA sehr verbreitet ist- liegt darin, dass diese Methode wegen ihrer positiven Wirkungen als eines der überzeugendsten Entspannungsverfahren gilt.
Ebenso wie das Autogene Training ist diese Methode wissenschaftlich erprobt und nachgewiesen. Die PME ist eine gute und bewährte Selbsthilfemethode und bietet eine gute Grundlage und Einstiegsmöglichkeit für weitergehende Entspannungsverfahren wie zum Beispiel das Autogene Training.

Zusammenhang zwischen psychischer und muskulärer Spannung
Edmund Jacobson beschäftigte sich als Wissenschaftler zu Beginn unseres
Jahrhunderts intensiv mit der Funktionsweise der Muskulatur. Dabei fiel ihm auf, dass
innere Unruhe, Stress und Angst mit Anspannungen der Muskulatur einhergehen.
Ein Mensch, der innerlich angespannt oder ängstlich ist, ist meist auch muskulär
angespannt. Allerdings führt nicht nur psychische Anspannung zu höherer
Muskelspannung. Es gilt auch der umgekehrte Fall, dass eine Lockerung der
Muskulatur in aller Regel mit einem Ruhegefühl einhergeht. Wir haben es hier mit
einem Zusammenhang zwischen Psyche und Körper zu tun, der in beide Richtungen
besteht: Die Psyche wirkt auf den Körper und umgekehrt können körperliche
Veränderungen auch Änderungen im psychischen Befinden hervorrufen.
Eine große Zahl der "Zivilisationserkrankungen" wird nach Jacobsons Auffassung in
ihren Entstehungsbedingungen vor allem durch die Annahme einer gestörten
persönlichen Ökonomie verständlich. Vor allem überfordernder Stress und seelische
Belastungen führen häufig zu Verspannungen der Muskulatur, wodurch z.B. Rücken-
und Gelenkbeschwerden sowie Kopfschmerzen hervorgerufen werden können.
Geistige Aktivitäten beeinflussen nicht nur die Willkürmuskulatur, sondern auch im
Sinne reflexartiger Reaktionen die unwillkürliche Muskulatur. Diese Annahme macht
die Entstehung von Fehlregulationen in Hinblick auf die Funktion der Organe
verständlich. Beispielsweise können spannungsbedingte Verkrampfungen der
Herzkranzgefäße bei entsprechender Vorschädigung zu Angina pectoris oder auch
Herzinfarkten beitragen. Ebenso können durch neuromuskuläre Überstimulation
Störungen und Erkrankungen der Verdauungsorgane, Bluthochdruck, arthritische
Beschwerden, Störungen des Nervensystems und der Psyche mitbedingt werden.

Die Methode der Progressiven Muskelentspannung
Durch die Methode der PME soll dem Übenden eine möglichst tiefgehende Entspannung ermöglicht werden. Um dies zu erreichen, wird zunächst
die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Muskelgruppe (z.B. Hand)
gelenkt. Dann wird diese Muskelgruppe für etwa 5-10 Sekunden angespannt (z.B.
Faust ballen), wobei die entstehenden Empfindungen möglichst genau
wahrgenommen werden. Daraufhin erfolgt eine Entspannungsphase von etwa 30 Sekunden Dauer, während derer wiederum die Aufmerksamkeit auf die entstehenden
Körperempfindungen gerichtet wird. Der Übungsablauf ist so aufgebaut, dass die
verschiedenen Muskelgruppen nacheinander in das Training einbezogen werden.
Durch die Entspannung der Willkürmuskulatur wird eine gleichsinnige Wirkung auf
die Gehirnaktivität und andere körperliche Funktionsbereiche ausgeübt, so dass ein
körperlich-psychischer Entspannungszustand erreichbar ist. Eine derartige generelle
Entspannung stellt quasi einen Gegenpol zu übermäßiger Anspannung dar, woraus
sich der gesundheitliche Nutzen bei spannungsbedingten Beschwerden und
Erkrankungen erklärt.
Unter differentieller Entspannung ist dagegen eine möglichst geringe
Muskelspannung innerhalb der Muskelgruppe zu verstehen, die für die jeweilige
Aktivität gebraucht wird, wobei andere nicht für die Aktivität notwendige
Muskelgruppen entspannt bleiben. Die aufgrund eines längerfristigen Trainings
erreichbare differentielle Entspannung ermöglicht einen ökonomischen Umgang mit
persönlicher Energie. Dadurch lässt sich hohe Leistung bei gleichzeitiger
Vermeidung von Überforderung erreichen. Diese Fähigkeit zur "lockeren" Leistung
macht es verständlich, dass die Progressive Relaxation mit guten Ergebnissen auch
bei Sportlern und im Management zur Leistungsverbesserung eingesetzt wird. Aber natürlich ist die
Fähigkeit zur "gezielten Lockerheit" auch in Hinblick auf private und berufliche
Herausforderungen von großem Nutzen. Die geistige und körperliche
Leistungsfähigkeit steigt, wenn wir Hektik und Überforderung vermeiden lernen.

Forschungsergebnisse zur Progressiven Relaxation
Hunderte von vor allem aus den USA stammenden Forschungsergebnissen belegen
einen positiven Einfluss der Progressiven Relaxation auf eine Vielzahl von
Erkrankungen und Beschwerden: u.a. Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Herz-
Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck und Abwehrschwäche. Die Progressive
Relaxation ist dementsprechend bei einer Vielzahl bereits bestehender
gesundheitlicher Störungen aber auch in der Vorbeugung von Krankheiten hilfreich.
Wissenschaftliche Ergebnisse belegen positive Auswirkungen der progressiven
Relaxation auf das Immunsystem, so dass von einer Stärkung der
Selbstheilungskräfte auszugehen ist. Eindrucksvolle Studien zeigen außerdem, dass
die medizinische Behandlung von Erkrankungen durch begleitende Progressive
Relaxation deutlich unterstützt werden kann. Beispielsweise vertrugen
Krebspatienten, die mit Chemotherpie behandelt wurden und gleichzeitig Progressive
Relaxation praktizierten, die Chemotherapie wesentlich besser als Kontrollgruppen
ohne die Entspannungstherapie. Die Entspannungstherapie trug dazu bei, dass
wesentlich weniger Übelkeit und Erbrechen bei den Patienten auftraten.

Zum Erlernen der Methode
Es ist zu beachten, dass die geschilderten gesundheitlichen Vorteile meist nicht
sofort nach Übungsbeginn auftreten. Obwohl für das Erlernen der Progressiven
Relaxation in aller Regel zwar weniger Übungszeit als für andere
Entspannungsverfahren benötigt wird, ist doch eine geduldige Herangehensweise
eine große Hilfe. Es sollte von einer zumindest mehrwöchigen Übungszeit mit
täglichen Übungen, die ca. 10 bis 20 Minuten umfassen, ausgegangen werden. Wir
haben dann eine längerfristig wirksame Methode der Selbsthilfe zur Verfügung, die
nach dem Erlernen weiterpraktiziert werden sollte.
Die Progressive Relaxation kann am besten in qualifiziert geleiteten Kursen
erlernt werden in denen auf die Besonderheiten der Teilnehmer eingegangen wird.